Montagsspiel gegen den VfB Stuttgart

April 16, 2016 in Allgemein

Moin Werderfans,

wir haben uns schweren Herzens dazu entschlossen, das wichtige Ligaspiel gegen den VfB Stuttgart nicht zu besuchen. Wie Ihr Euch sicherlich alle vorstellen könnt, ist uns dieser Entschluss gerade angesichts der aktuellen sportlichen Situation äußerst schwer gefallen. Nachfolgend möchten wir Euch unsere Beweggründe mitteilen und so für Euer Verständnis und Eure Unterstützung werben.

Mit dem angekündigten Montagsspiel ist in der ersten Bundesliga der Beginn einer neuen Stufe der Zerstückelung des Spieltags erreicht, welche so für uns nicht mehr hinnehmbar ist. Auch wenn seitens der DFL nach außen hin kommuniziert wurde, dass dieser Montagstermin einzig und allein dem Mai-Feiertag geschuldet wäre, so schwebte das Damokles-Schwert des Montagstermins schon länger über den Clubs der ersten Bundesliga. Trotz aller Beschwichtigungen hat die DFL erst in dieser Woche fünf feste Montagsspiele, sogenannte Ausweichtermine, mit Beginn der Saison 2017/18 angekündigt. Uns ist es dementsprechend wichtig, zu Anbeginn dieser Entwicklung in der ersten Bundesliga ein starkes Zeichen gegenüber allen Akteur*innen des Profi-Fußballs zu setzen, um zu zeigen, dass die Anhänger*innen der Fußballvereine ein essentieller Bestandteil des Profi-Fußballs sind, deren Interessen bei der Spieltagsterminierung nicht immer mehr in den Hintergrund gerückt werden dürfen.

Seit langer Zeit sind wir mit den unmöglichsten Terminierungen konfrontiert. Freitagabends oder sonntags in Augsburg oder Freiburg? Haben wir alles schon mitgemacht und auch dort bestmöglich den SV Werder repräsentiert. Terminierungen, die immer wieder entgegen aller Zusagen von DFL und Co kurzfristig verkündet werden und Anreise- und gegebenenfalls Urlaubsplanungen erschweren bis unmöglich machen und darüber hinaus das Verhältnis zu Familie, Freund*innen sowie Arbeitgeber*innen belasten.

Jedoch sind nicht allein die Fans, welche mit ihren Vereinen live im Stadion mitfiebern, die Leidtragenden dieser Entwicklung. Das Weserstadion ist seit jeher eng mit dem umgebenden Viertel verbunden. Wochenende für Wochenende lebt insbesondere die Gastronomie, aber auch die generelle Stimmung in der Stadt von den tausenden Anhänger*innen, welche auch abseits der 90 Minuten noch ein paar schöne Stunden im Viertel verbringen wollen. Der Verlust des Europapokaltermins hatte bereits ernsthafte Auswirkungen auf die Umsätze lokaler Institutionen. Die Vereine, welche ihre Stadien noch weiterhin im Stadtgebiet verankert wissen, sind also direkte Leidtragende dieser Spieltagsansetzungen, und in dieser Hinsicht sind Bremen und das Viertel mittlerweile mit an erster Stelle zu nennen.

Wir sind uns sehr wohl bewusst, welchen Zwängen sich sowohl die DFL als auch jeder einzelne Profifußballclub ausgesetzt sehen. Die Mechanismen des Kapitalismus werden im Profifußball mehr und mehr spürbar, so dass es insbesondere im internationalen Vergleich nur logisch ist, wenn versucht wird, mehr Gewinne zu erzielen, um so noch hochklassigeren Fußball zu zeigen und so noch mehr internationale TV-Zuschauer*innen zu gewinnen. Diesen Zusammenhang werden wir nicht durch den Boykott dieses Spiels auflösen können.

Uns geht es darum, zu zeigen, dass wir genauso Teil des Fußballs sind wie die Kicker, Vereins- und Verbandsfunktionäre. Ohne uns Fans und die Atmosphäre, die wir Wochenende für Wochenende in die Stadien dieser Liga bringen, wäre das Produkt Bundesliga nur noch einen Bruchteil wert. Wir verstehen uns aber nicht als bloße Dienstleistende für ein Produkt. Wir bringen Farbe, Leben und Emotion in ein Spiel, welches immer mehr den Bedürfnissen einer kapitalistischen Gesellschaft angepasst wird.

Dass diese Spirale jedoch nicht unendlich weiter gedreht werden kann, sieht man allein schon beim Blick in Liga 2, wo es bedauerlicherweise trotz vieler Bemühungen nicht gelang, sich ligenübergreifend solidarisch für den Spieltermin am Wochenende einzusetzen und diese Entwicklung zu stoppen, bevor sie die erste Liga erreicht. Jedoch kann man an Liga 2 sehen, dass Montagsspiele auf dem Papier vielleicht zu mehr Zuschauer*innen am TV führen, die dauerhafte Attraktivität der Spiele jedoch nicht gewährleistet werden kann und sich dementsprechend nur eine überschaubare Zielgruppe Montag für Montag den Live-Rumpelfußball im Münchener Spartensender antut. Leere Gästeblöcke und Protestaktionen gegen diese Spieltagsansetzungen tun neben immer unattraktiveren Vereinen ihr übriges dazu, dass der Montagskick im TV in der Regel verlorene Zeit darstellt.

Wir sind uns ebenso bewusst, dass wir an dieser Stelle nur ein kleines Rädchen im System Profifußball kritisieren. Wie in den meisten anderen unserer Lebensbereiche macht sich der Kapitalismus zunehmend und immer schneller auch im Profi-Fußball bemerkbar. Unzumutbare Spieltagsterminierungen, Einfluss des Pay-TVs sind nur symptomatisch für die kapitalistischen Zwänge, in denen wir uns bewegen. So unterliegt auch jeder Fußballverein dem Druck, immer effizienter zu werden, möglichst viele Gewinne zu erwirtschaften und sich so mit der Zeit zu einem Wirtschaftsunternehmen zu wandeln. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle Vereine diesen Wandel erfolgreich meistern, so dass andere Wirtschaftsunternehmen, welche den finanziellen Wettbewerb von der Pike auf gelernt haben, die entstehenden Lücken sehen und diese auch nutzen können, um so auf sportlichem Weg ihr Image aufpolieren zu können. Die hieraus resultierenden Partien ziehen in der Regel die Attraktivität der übertragenen Spiele mindestens im gleichen Maße runter, wie es die besagten leeren Gästeblöcke und Protestaktionen tun. Dass nicht alle Vereine den Wandel hin zum Wirtschaftsunternehmen gleich gut meistern, ist im Kapitalismus ebenso systemimmanent wie das Verschieben der Interessen von Fans und Zuschauer*innen hin zu den Kapitalbesitzenden. Diese Zusammenhänge können wir zwar kritisieren, jedoch nicht ohne tiefgreifendere Maßnahmen bekämpfen.

Das ist auch nicht zwangsläufig unsere Aufgabe als Fußballfans. Für uns jedoch heißt Fan sein mehr, als nur Konsument*in zu sein. Wir verstehen uns als Teil des Spiels und als dieser sind wir davon überzeugt, dass die Fans nicht die einzige Stellschraube sind, um in diesem Wettbewerb Kapital zu erzeugen. Wir verlangen jetzt konkret ein Ende des Terminwahnsinns und fordern von den Verantwortlichen der DFL und der Vereine, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, statt einfach nur die Methoden, und so logischerweise auch die Fehler, anderer Profiligen zu kopieren. Wir erwarten, dass nach neuen kreativen Wegen gesucht wird, um die benötigten Gelder zu erwirtschaften, wenn denn schon unbedingt der Wettbewerbswahnsinn der konkurrierenden, internationalen Profiligen gekontert werden muss. Wir Fans sind nicht die einzige Stellschraube!

Um sowohl unserem Stellenwert als auch unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden wir, wie bereits oben erwähnt, dem Spiel gegen den VFB Stuttgart fernbleiben. In dieser Situation, in der uns unser Verein besonders braucht und gerade ein positiver Ruck durch die Fanlandschaft zu schwappen scheint, fällt uns dies besonders schwer. Angesichts der Entscheidung, sich nicht ausreichend stark gegen die Zerstückelung der Bundesliga-Spieltage positioniert oder Werder nicht ausreichend im Kampf um den Klassenerhalt unterstützt zu haben, befinden wir uns in einem tiefen, inneren Zwiespalt. Nach zähem Ringen haben wir uns jedoch dafür entschieden, an diesem Spieltag ein Zeichen für all jene Fußballfans zu setzen, die ihren Verein im Stadion leidenschaftlich unterstützen wollen und so nebenbei den Profifußball und seine Stadien mit einer lebhaften Fankultur bereichern.

Um zumindest den aus diesem Montagsspiel resultierenden wirtschaftlichen Schaden von unserem SVW fernzuhalten, bitten wir alle, die sich unserer Entscheidung anschließen wollen, dennoch zumindest Eintrittskarten zu erwerben und sich eventuell trotzdem Falafel, Ayran oder ähnliches im Viertel zu genehmigen. Wie schon heute gegen Wolfsburg heißt es dann auch gegen Frankfurt:

Alles für den Klassenerhalt! Allez les Verts!