Fussballfans gegen Antisemitismus
Oktober 17, 2013 in Allgemein, Veranstaltungen
Eine Veranstaltungsreihe im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus
In der vom „Simon Wiesenthal Center“ veröffentlichten Liste der „Top-Ten Antisemiten“ (1) landeten die europäischen Fussballfans im Jahr 2012 auf dem vierten Platz. Beispielhaft für eine ganze Reihe antisemitischer Vorfälle wurden die Vorkommnisse aus dem Spiel West Ham United gegen Tottenham Hotspurs angeführt, bei denen große Teile der West Ham Fans “Adolf Hitler’s coming for you” und “You’re getting gassed in the morning” sangen und die Geräusche einer Gaskammer nachahmten. Auch in den Fussballstadien Deutschlands kommt es immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Beim Spiel zwischen Babelsberg 03 und Lokomotive Leipzig (2) am 03. August 2013 fielen große Teile der Gästefans durch Rufe auf, wie „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“ oder das „U-Bahn-Lied“, in dem eine U-Bahn von einem Ort X bis nach Auschwitz gebaut werden soll. Vor einigen Jahren hinterließen Fussballfans aus Hannover bei ihrem Besuch in Bremen eindeutige Aufkleber: Sie hatten das Wappen des SV Werder zu einem orangefarbenen Davidstern verfremdet. (3)
Doch diese Vorkommnisse stellen lediglich eine sichtbare Komponente des tief in der deutschen Gesellschaft verankerten Antisemitismus dar. Das belegen Studien immer wieder, zuletzt führten Wissenschaftler der Universität Osnabrück und der kanadischen University of Victoria in British Columbia im Mai 2012 und Januar 2013 unter 1800 Studierenden beider Hochschulen eine Studie (4) durch, bei der herauskam, dass antisemitische Einstellungen unter etwa 50 Prozent der Befragten zu finden seien. Auch in Bremen werden durch das „Bremer Bündnis gegen Antisemitismus“ (5) antisemitische Vorfälle oder Veranstaltungen immer wieder beobachtet.
Bereits seit 2003 organisiert die „Amadeu Antonio Stiftung“ (6) die „Aktionswochen gegen Antisemitismus“ (7) mit Veranstaltungen in ganz Deutschland, die rund um den 9. November stattfinden. Auch wir beteiligen uns in diesem Jahr an den Aktionswochen und möchten damit eine kritische Perspektive auf das Thema ermöglichen. Zu den verschiedenen Veranstaltungen möchten wir alle Interessierten herzlich einladen:
[spoiler title=“Antisemitismus – Formen des Judenhasses von der Antike bis zur Gegenwart
Vortrag mit Dr. Ingo Elbe
30.10.2013, 19:30 Uhr, OstKurvenSaal“ style=“fancy“]
Der Hass auf die Juden hat eine lange Tradition und ist auch im 21. Jahrhundert weltweit verbreitet. Nicht immer nimmt er solch offene Formen an, wie in Äußerungen der ägyptischen Muslimbrüder, in denen die Juden mit Bezug auf den Koran als „Affen und Schweine“ bezeichnet werden oder wie in der Meinung von mehr als der Hälfte der spanischen Schüler von 12-18 Jahren, die es 2008 ablehnten, mit einem Juden im selben Raum zu sitzen und zusammenzuarbeiten. Spätestens nach Auschwitz und nach der Gründung des Staates Israel artikuliert sich der Hass auf die Juden oft in indirekteren Formen. Auf den öffentlichen Diskurs der westlichen Demokratien trifft zu, was Max Horkheimer und Theodor W. Adorno bereits 1947 halb ironisch konstatierten: „Aber es gibt keine Antisemiten mehr“ – also kaum jemanden, der sich offen dazu bekennt, etwas gegen Juden zu haben. Judenhass nimmt nun meist die Form des Zu-verstehen-Gebens, der Andeutung und vor allem der vermeintlich um den Weltfrieden besorgten „ehrbaren Israelkritik“ an.
Der Vortrag behandelt mit dem christlichen Antijudaismus, dem modernen Antisemitismus und dem Antizionismus verschiedene Formen des Judenhasses und fragt danach, wie man die Kritik an der Politik einer israelischen Regierung von Antisemitismus unterscheiden kann.
Dr. Ingo Elbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Uni Oldenburg. Zuletzt veröffentlicht: Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965, 2. Aufl., Berlin 2010 und als Mitherausgeber: Die Moral in der Kritik. Ethik als Grundlage und Gegenstand kritischer Gesellschaftstheorie, Würzburg 2011 sowie Anonyme Herrschaft. Zur Struktur moderner Machtverhältnisse, Münster 2012. 2014 erscheint die von ihm mitherausgegebene Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie. Zum Thema Antisemitismus erschien 2010 der Aufsatz „Angst vor der Freiheit. Ist Sartres Existentialismus eine geeignete Grundlage für die Antisemitismustheorie?“ (online unter: http://www.rote-ruhr-uni.com). 2013 erscheint von ihm der Aufsatz „Triebökonomie der Zerstörung. Kritische Theorie über die emotionale Matrix der Judenvernichtung.“ In: M. Jacobsen u.a. (Hg.): Kritische Theorie und Emanzipation, Würzburg.[/spoiler]
[spoiler title=“ „They were not silent“
Filmvorführung und Vortrag mit Martin Schmitt
07.11.2013, 19:30 Uhr, Kultur im Bunker e. V., Berliner Straße 22C“ style=“fancy“]
„They were not silent!” – Die jüdische Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den USA und ihr Kampf gegen NS-Faschismus und Holocaust
Als Hitler 1933 an die Macht kam, nahm kaum jemand die Gefahren ernst, die vom Antisemitismus der Nazis ausgingen – weder innerhalb noch außerhalb Europas. Anders die stark durch osteuropäische Einwanderer geprägte jüdische Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in New York City: Mit Demonstrationen und Kundgebungen, Aktionen und Kampagnen wurde versucht, die amerikanische Öffentlichkeit über die Vorgänge in Deutschland zu informieren, gegen die einsetzende antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung zu protestieren und insbesondere die amerikanische Arbeiterschaft zur aktiven Unterstützung des antifaschistischen Kampfes zu motivieren. Verschiedene gewerkschaftliche, sozialdemokratische, sozialistische und arbeiterzionistische Gruppierungen schlossen sich daraufhin im „Jewish Labor Comittee” (JLC) zusammen, um eine entschiedene antifaschistische Haltung in die zum Isolationismus neigende amerikanische Arbeiterschaft hineinzutragen.
Nach dem Ausbruch des Krieges galt es für das JLC, bedrohten Sozialisten und Gewerkschaftern aus Europa die Flucht in die USA zu ermöglichen. Nur dank umfangreicher Spenden und der beherzten Hilfsbereitschaft der amerikanischen Arbeiterbewegung konnte auf diesem Weg zur Rettung von unzähligen Menschen beigetragen werden. Als schließlich erste Berichte über die systematische Vernichtung von Juden in den von Nazideutschland okkupierten Ländern Osteuropas die USA erreichten, begann das JLC damit, jüdische Partisanen- und Untergrundgruppen in u. a. Polen und der Ukraine mit Geld und Waffen zu unterstützen – so beispielsweise auch im Vorfeld des Aufstandes im Warschauer Ghetto 1943.
Der im Jahr 1998 im Auftrag des Robert F. Wagner Archivs (New York University) produzierte, in Europa unbekannte Dokumentarfilm erzählt eine in deutschen Museen, Schulbüchern und Fernsehsendungen ignorierte Geschichte: Die Geschichte vom aktiven Kampf der jüdischen und amerikanischen Arbeiterbewegung gegen Nazifaschismus und Holocaust. Der Film (30 min, in englischer Sprache) wird mit deutschen Untertiteln gezeigt.
Einleitender Vortrag und anschließende Diskussion mit Martin Schmitt (M. A.), Mitherausgeber der Neuedition von Alexander Steins kritischer Analyse des nationalsozialistischen Antisemitismus in »Adolf Hitler, Schüler der ‚Weisen von Zion‘« (ça ira 2011)[/spoiler]
[spoiler title=“Fussball und Antisemitismus
Vortrag mit Enno Wöhler & Alex Feuerherdt
16.11.2013, 18:00 Uhr, OstKurvenSaal“ style=“fancy“]
Im März 2006 hinterließen Fussballfans aus Hannover bei ihrem Besuch in Bremen eindeutige Aufkleber: Sie hatten das Wappen des SV Werder zu einem orangefarbenen Davidstern verfremdet. Ganz ähnlich traten Anhänger von Energie Cottbus Ende 2005 in Dresden auf, als sie ebenfalls das Vereinsemblem des Gastgebers grafisch veränderten, um die Dresdner als »Juden« zu beschimpfen. In der Kreisliga B in Berlin wurde man im September 2006 noch deutlicher. »Vergast die Juden« und »Synagogen müssen brennen« riefen etwa 30 Neonazis beim Spiel von Alt-Glienicke gegen den jüdischen Verein Makkabi Berlin. Deren Mannschaft verließ schließlich aus Protest den Platz.
Antisemitismus ist nicht nur hierzulande nach wie vor präsent, und das zeigt sich auch und gerade im Fussball. Wie er sich darin äußert und wie er funktioniert, wollen wir im Vortrag zeigen. Dabei soll es nicht nur um Vorfälle wie die genannten gehen, denn der Antisemitismus erschöpft sich nicht in solchen offenkundigen Angriffen. Vielmehr spiegelt er sich auch in anderen Bereichen wider, beispielsweise in der Debatte um die Kommerzialisierung des Fussballs oder in den Boykottaktivitäten, die sich gegen Mannschaften aus dem jüdischen Staat richten. Und was haben die Deutschen eigentlich gegen den FC Bayern, der von den Nazis als »Judenklub« verfemt wurde?
Alex Feuerherdt ist freier Publizist und ehemaliger Schiedsrichter, Enno Wöhler ist großer Fan des SV Werder Bremen.[/spoiler]
Weitere interessante Veranstaltungen im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus werden in Bremen von „Associazione delle Talpe“ und „C³“ organisiert:
[spoiler title=““ open=“yes“ style=“fancy“]- Einführung in die Kritik des Antisemitismus
Tagesseminar mit Olaf Kistenmacher
02.11.2013 (Anmeldung erforderlich), Infoladen Bremen, St. Pauli-Str. 10
- Stadtrundgang zur Geschichte des 9. November 1938 in Bremen
Stadtrundgang mit Joachim Bellgart zu Leben und Verfolgung der Bremer Jüdinnen und Juden
7.11.2013, 15 Uhr, Dauer: ca. 1,5 Stunden
Bremer Touristikzentrale Liebfrauenkirchhof/Ecke Obernstraße.
- „Andauernde Umdeutungen – Zur Kritik der Verschwörungsideologie“
Vortrag mit Martin Wassermann
12.11.2013, 19 Uhr, Infoladen Bremen, St. Pauli Str. 10
- „Film und Shoah“
Vortrag
14.11.2013, 19 Uhr, Infoladen Bremen, St. Pauli Str. 10
- „Eskimo Limon 9“
Lesung mit Sarah Diehl
05.12.2013, 19 Uhr, Infoladen Bremen, St. Pauli Str. 10[/spoiler]
Eine Übersicht zu weiteren Veranstaltungen gibt es im Internet auf http://www.amadeu-antonio-stiftung.de
(1) http://www.wiesenthal.com
(2) http://gamma.noblogs.org
(3) werderrautedavidstern.jpg
(4) http://www.n24.de
(5) http://againstantisemitism.blogsport.de
(6) http://www.amadeu-antonio-stiftung.de
(7) http://www.amadeu-antonio-stiftung.de
Werbematerial:
Flyer zur Veranstaltungsreihe „Fussballfans gegen Antisemitismus“
Poster zur Veranstaltungsreihe „Fussballfans gegen Antisemitismus“
Flyer zu den Bremer Aktionswochen gegen Antisemitismus
Poster zu den Bremer Aktionswochen gegen Antisemitismus
Wir möchten, dass sich alle Besucher*innen auf unseren Veranstaltungen wohlfühlen können. Für Sexismus, Rassismus, Homophobie und andere Diskriminierungsformen ist hier kein Platz. Zum Schutze der Gäste sind während der Veranstaltung Foto- und Filmaufnahmen grundsätzlich nicht erwünscht! Ausnahmen sind nach Absprache mit uns möglich.